Ihre Majestät Königin Antonia die 81., Ihre Majestät König Gabriel der Erste, die Köchin auf der Suche nach einem Entenbraten fürs Abendessen, der Hofnarr mit Schelle am Fuß und Schalk im Nacken, eine Vertreterin der Kirche in Gestalt einer Nonne, der Schatzmeister des Königreichs, der jede Ausgabe akribisch auf seinem Block notiert, in seinem silbernen Schatzkästlein aber den wahren und wertvollsten Schatze des Landes dabei hat. Der Minnesänger und die Fee mit Kugel und Zauberstab, die Hofgärtnerin, der Hofmaler und die Zofe der Königin – eine bunte Truppe treibt sich an diesem sonnigen sommerlichen Junisonntag im Park von Schloss Nymphenburg herum. Die Zofe bietet auf einem Silbertablett unsichtbaren Champagner aus dem königlichen Weinkeller an, der Maler fertigt in Windeseile Portraits von Passanten, der Minnesänger greift immer wieder in die Saiten seiner Gitarre und singt und die Zauberin sieht in ihrer Glaskugel nur wundervolle Zukunftsaussichten.
Die Clowns sind nach einer halbjährigen Coronapause wieder auferstanden und nach drei Theorietagen in den Modulen 8 und 9 der zehnmonatigen Ausbildung zum Therapeutischen Clown zu einem Praxistag in die freie Wildbahn aufgebrochen. Ein „Walking Act“ sei das, was wir an diesem Tag im Nymphenburger Schlosspark vollbringen, kündigt Minnesänger und Kursleiter Alexander Radinger an. Und Walking ist in der Tat angesagt in den knapp vier Stunden, die wir uns unter die Sonntagsspaziergänger mischen. Schnell mal vom Parkplatz zum Schloss, dann wieder zum Parkplatz und in den Nebenstraße für Filmaufnahmen, dann in den Park und ins Geschehen. Da träumen die ersten schon nach den Filmaufnahmen von einer Einkehr im Schlosscafe, die Nonne aber führt auf den rechten Weg zurück. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“, gibt sie mit auf den Weg.
Die farbenfrohe Gesellschaft fällt allen auf. Und hat auf ihrer Tour so allerlei Begegnungen, sowohl im Hofstaat untereinander als auch mit dem Volk, das sich im Park ergeht. Der Schatzmeister etwa enthüllt so manchem Interessenten den größten Schatz des Landes: Er öffnet das kleine Schatzkästlein und der Mensch erblickt – sich selbst, in einem Spiegel.
Emotional berührende Momente erleben auch die beiden Damen, denen die Fee einen schönen Tag zaubert. Als wundersame Fügung erlebt eine Dame die Begegnung mit der schrägen Gesellschaft, denn als sie am Eingang des Schlosscafes auf sie trifft, ist sie gerade dabei, ihren Geburtstag mit ein paar Freunden zu feiern. Sofort, nachdem der Minnesänger dies vernommen hat, stimmt er das Lied „Alles Gute zum Geburtstag“ an, in das der gesamte Hofstaat einstimmt. Die größte Belohnung für diesen schrägen Gesang ist das Gesicht des Geburtstagskindes. Sie ist unglaublich gerührt, denn sie lässt durchblicken, dass es für sie nicht selbstverständlich war in diesen Coronazeiten, dass sie überhaupt ein paar Freunde um sich versammelt. Und dann bekommt sie auch gleich noch ein Geburtstagskonzert von einer vielköpfigen Gesellschaft. Sie bedankt sich sehr herzlich und die Hofgärtnerin erfreut sie noch dazu mit einer Blumenkette. Diesen Geburtstag wird sie nicht vergessen.
Auch ein Herr, der mit einem Sauerstoffgerät im Park unterwegs ist, ist hocherfreut über die Aufmerksamkeit, die ihm plötzlich zuteil wird. Der Minnesänger singt, der Hofnarr lässt einen Seifenblasenregen über ihm niedergehen – das ist ein wunderbarer Anlass für ein schönes Erinnerungsfoto mit seiner Gattin im Arm umringt von Clowns.
Die Seifenblasen des Hofnarrs sind natürlich auch eine Attraktion für unzählige Kinder, sogar Ihre Majestät die Königin lässt sich herab, ebenfalls Seifenblasen in die Sonne zu pusten. Die Zuschauer allen Alters strahlen mit der Sonne um die Wette.
Eine ganz besondere Freude war die Begegnung mit dem narrischen Hofstaat auf für die Gräfin, wie der Minnesänger spontan die Dame im Rollstuhl tauft, die von ihrem Mann in den Park gefahren wird. Es scheint als habe die Gräfin, die sich auch sofort als solche zu erkennen gibt, nämlich Gräfin Margarete von Kölle, nur auf den Minnesänger gewartet. „Freude schöner Götterfunken“ stimmt er als erstes an und die Gräfin kann den Text am besten von allen. Auch das Lied von der schwäbischen Eisenbahn beherrscht sie aus dem FF. „Noch ein Lied“, sagt sie immer wieder, bis der Minnesänger mangels Kraft passen muss. Margarete hatte mit Sicherheit ebenfalls einen überraschend wunderbaren Tag.
Und wer durfte all diese Menschen glücklich machen ?
Wir, die fast fertig ausgebildeten „Therapeutischen Clowns“. Welche Ehre. Welch ein Glück. Welch ein im Grunde völlig einfaches Unterfangen. Wir haben nichts aufgeführt, wir waren keine Künstler, wir haben keine Salti geschlagen und keine Leistungen erbracht. Wir waren nur einfach da und bunt und haben das wohl Wichtigste, vor allem in Coronazeiten, gespendet: liebevolle Aufmerksamkeit.
Und diese haben wir zurückbekommen, so reichlich und intensiv, in so vielen kleinen, kurzen, aber tief gehenden Momenten, wenn die Freude und der Schalk in den Gesichtern aufblitzten, wenn Menschen spontan mitspielten, wenn ihre Kindlichkeit erwachte und lebensfroher Spieltrieb.
Im ganzen Park begannen kleine Diamanten zu funkeln und aufzublitzen und neue Möglichkeiten und endloses Potenzial entstanden rundum in so vielen Menschen. Bei manchen war es nur ein fast unwillkürliches Lächeln, das ihre Lippen eroberte, bei anderen brach gleich eine Riesensehnsucht durch so wie bei Gräfin Margarete.
Beschreiben wir diesen Tag und den „Beruf“ des Therapeutischen Clowns mit den Worten von Johann Wolfgang Goethe: „Willst du glücklich sein im Leben, trage bei zu andrer Glück; denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigne Herz zurück.“
Claudia Wessel